Rezension: Terraforming Mars

Rezension: Terraforming Mars

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Von Dr. Clemens Heilmann

Endlich habe ich genug Mikroben zusammen um mit den CO2 produzierenden Bakterien die Temperatur auf dem Mars um 2°C zu erhöhen und in der nächsten Runde mehr Geld von der Erde zu bekommen um meinen Physikkomplex zu bauen. Wer bis jetzt nur Bahnhof versteht hat noch nicht eines der spannendsten Spiele der Saison 2016 gespielt. Terraforming Mars ist ein komplexes Aufbaustrategiespiel bei dem 1 bis 5 Spieler durch geschickte Nutzung von Ressourcen und Karten den Mars nach und nach in einen lebenswerten Planeten verwandeln.

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Abbildung 1 Am Anfang ist der Mars noch staubig und leer, füllt sich aber im Verlauf des Spiels mit Leben, Städten und Ozeanen.

Hierzu werden 3 globale Parameter erhöht, die Temperatur von -30°C auf +8°C, der Sauerstoffgehalt von 0% auf 14% und 9 Ozeane müssen platziert werden. Für jeden Schritt den man einen der Parameter erhöht, steigt auch der eigene Terraformwert, welcher gleichzeitig als Siegpunkte und Finanzierung von der Erde dient. Jeder Spieler verkörpert hierbei einen Konzern mit verschiedenen Stärken und damit auch unterschiedlichen Wegen zum Sieg. Während die Minengilde durch eine hohe Produktion von Stahl schnell Gebäude hochziehen kann, konzentriert sich Thorgate ganz auf die Energieproduktion.

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Abbildung 2 Das individuelle Spielertableau gibt Überblick über den aktuellen Ressourcenstand und die zu erwartenden Produktion am Ende der Runde. Daneben zeigt die Konzernkarte die Spezialfähigkeit und hilft bei der Strategieauswahl.

Insgesamt gibt es sechs verschiedene Ressourcen die verschiedene Funktionen erfüllen. Geld ist wie im realen Leben das Wichtigste, weil es sowohl erlaubt Karten zu kaufen als auch auszuspielen. Das Einkommen setzt sich hierbei aus der Finanzierung von der Erde in Höhe des Terraformwertes und den auf dem Mars erzielten Gewinnen zusammen. Stahl und Titan können den Preis für Gebäude oder Weltraumkarten reduzieren. Pflanzen erlauben es Grünflächen zu platzieren und damit nach und nach den Mars von einem roten in einen grünen Planeten verwandeln und den Sauerstoffgehalt erhöhen. Energie und Wärme sind durch den ersten Hauptsatz der Thermodynamik verbunden weil Energie nicht über eine Runde hinaus gespeichert werden kann, sondern immer in Wärme umgewandelt wird. Wärme kann dazu verwendet werden um die Temperatur auf dem Planeten zu erhöhen. Energie dagegen ist notwendig um modernste Forschungsgebäude zu betreiben und energieintensive Industrien zu betreiben.

Das Herz des Spiels ist ein Deck von Projektkarten die in drei Kategorien eingeteilt sind. Rote Ereigniskarten sind einmalig nutzbar und ermöglichen es beispielsweise mit einem Konvoi von der Erde Pflanzen zu importieren. Grüne Projektkarten erhöhen oft die Produktion von einer oder mehreren Ressourcen, manchmal auf Kosten anderer Ressourcen. Am spannendsten und vielseitigsten sind aber die blauen Aktions- und Effektkarten. Aktionskarten beispielsweise erlauben es jede Runde zusätzliche Karten vom Stapel zu ziehen oder Siegpunkte auf Karten anzusammeln.

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Abbildung 3 Die eigene Kartenauslage wird im Laufe des Spiels immer umfangreicher. Die blauen Karten kann man in jeder Runde einmal aktivieren.

Leider kann man nicht einfach Karten ziehen und einsetzen, sondern muss jede Karte in der Forschungsphase am Beginn einer Runde mit Geld kaufen, welches man dann aber auch zum Ausspielen benötigt. Wer sich in der Forschungsphase zu viele Karten kauft, der hat in der Runde kein Geld um seine Karten auch auszuspielen. Hierdurch trifft man regelmäßig spannende Entscheidungen welche Karten man braucht und welche man nur gern hätte. Gleichzeitig benötigt man zum Ausspielen jede Karte Geld und benötigt oft noch zusätzlich bestimmte Voraussetzungen wie eine bestimmte Temperatur oder eine maximale Anzahl an Ozeanen. Ein bisschen Glück beim Ziehen gehört natürlich auch dazu, dass man im richtigen Moment die richtigen Karten in der Forschungsphase zieht.

In der Aktionsrunde kann jeder Spieler 1 oder 2 Aktionen durchführen oder passen. Wer passt kann diese Runde keine weiteren Aktionen durchführen und muss zusehen während sich andere wichtige Siegpunkte sichern. Oft kommt es darauf an, das richtige Timing zu haben, da man versucht sich wichtige Punkte zu sichern indem man als Aktion einen Meilenstein für sich beansprucht oder eine Auszeichnung sponsert. Während man die Meilensteine nur beanspruchen kann wenn man den Wert schon erreicht hat, beispielsweise 3 Städte platziert hat, muss man Auszeichnungen aktivieren und diese werden erst am Ende des Spiels ausgewertet. Da sowohl bei Meilensteinen als auch Auszeichnungen maximal drei von fünf aktiviert werden können entwickelt sich ein spannendes Rennen um die Siegpunkte, welche oft das Zünglein an der Waage für den Sieg sind.

Das Kartendeck besticht durch wissenschaftlich saubere und logische Karten, die auf den aktuellsten Erkenntnissen basieren. Der Autor Jakob Fryxelius ist promovierter Chemiker und das merkt man dem Spiel an. Die Karten regen die Fantasie an wie sich der Mars von Menschenhand verändern lässt. Im Gespräch auf der Spiel in Essen hat Dr. Fryxelius schon erwähnt, dass einige Erweiterungen in Planung sind, die das Spiel noch spannender und abwechslungsreicher machen. Das Spiel verändert sich je nach Spielerzahl leicht, während bei zwei Spielern sich gegenseitig permanent belauert und versucht den anderen zu überrumpeln, muss man bei voller Besetzung mit 5 Spielern eine klaren Strategie verfolgen die auch funktioniert wenn man erst nach vier anderen Spielern wieder eine Aktion durchführen kann.

Die Marskarte verändert sich im Laufe des Spiels nach und nach mit neuen Ozeanen, Grünflachen und Städten aber auch das ein oder anderen Sperrgebiet wird platziert und Platzierungsboni auf den einzelnen Hexfeldern lösen ein spannendes Rennen um die besten Plätze aus.

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Abbildung 4 Am Ende einer Partie ist der Mars grün und blau gefärbt und gefüllt mit Städten und Sondergebieten. Sogar ein Raumhafen wurde auf dem Mond Phobos gebaut.

Jede meiner Terraforming Mars Partien hat sich anders gespielt, da durch die verschiedenen Konzerne die zur Verfügung stehen und durch die Unberechenbarkeit des Kartendecks es keine Patentrezepte für einen schnellen Sieg. Mal wird die Temperatur in kürzester Zeit in die Höhe getrieben, ein andermal ist es bis kurz vor Schluss noch -12°C kalt. Diese Vielseitigkeit gibt es auch noch wenn man nach mehreren Partien die Karten schon ungefähr kennt, weil sich dadurch noch ein tieferer strategischer Level ergibt, bei dem man auf bestimmte Kartenkombinationen spekulieren kann.

Beispielsweise hat einer meiner Mitspieler im letzten Spiel ganz auf Weltraumkarten gebaut, wodurch ich mit dem Bau der Zollstation meine Geldproduktion um 1 pro gegnerischen Weltraumsymbol erhöhen kann. Dadurch konnte ich mit einer Karte meine Geldproduktion um 9 erhöhen und mit meiner zweiten Aktion mit den Roboterarbeitern die Zollstation noch einmal kopieren. Solche Kombos sind oft spielentscheidend und wenn man es schafft eine solche Kombo zu spielen fühlt sich das echt gut an!

Fazit: Für mich ist Terraforming Mars eines der besten Spiele des Jahres. Die wissenschaftlich fundierte Ausarbeitung des Themas kombiniert mit spannenden Mechanismen zieht schnell in den Bann und man möchte nach dem Ende direkt nochmal anfangen. Nur die Spieldauer im spannenderen Expertenspiel mit Drafting und mehr Karten ist mit 3-4 Stunden schon recht lang und braucht einiges an Sitzfleisch. Gelangweilt hat sich aber noch nie jemand!

Pro:

  • Spannendes Thema, wissenschaftlich ausgearbeitet dabei auch gut verständlich
  • Mechanismen greifen gut ineinander und zwingen zu Entscheidungen
  • Spielmaterial ist ordentlich und zweckmäßig

Con:

  • Spieldauer je nach Variante länger als angegeben
  • Je nach Spielerzahl und Nachdenkzeit kann es länger dauern bis man dran ist

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