Das Schwarze Auge (4.1) Spielabend vom 09.06.2020 “Zum Eulenwald”
“Wo man Gefahren nicht besiegen kann, Ist Flucht der Sieg; und ich entrann.” Johann Gottfried Seume (1763 – 1810)
Aus den Tagebücher, Liedern und Texten des thorwalischen Skalden Tjure Fenrirson, chronologisch und nach seiner Priorität geordnet.:
„Manches von dem ich hier berichte, habe ich erst später erfahren.“ T.F.
13. Tag des Schlachtmonds [Travia] im Jahr 2648 JL [1021 BF]
Frühmorgens. Es waren noch wenige Stunden vor dem Sonnenaufgang, als vier von uns, abseits der Blutmarkierungen des Haerad [gialskerländische Sippe, Dorf] der Yackach auf unsere Kameraden Finn und Orm warteten. Unsere Flucht war entdeckt worden. Es war Alarm geschlagen. Rufe und Schreie tönten aus dem Dorf. Finn und Orm wurden verfolgt. Sie mussten hinter der Blutmarkierung treten. Dann konnten die Verfolger sie nicht mehr erreichen, glaubten wir. Doch prallten auch ihre Wurfwaffen an dieser unsichtbaren Mauer ab? Wir wussten es nicht. Ein Wurfspeer der Verfolger traf Finn in den Rücken. Er hatte die Markierung noch nicht erreicht. Orm half unserem Gjaldskaper [Söldner]. Jenssei ging ein paar Schritt zurück und legte ein Pfeil an seinen Bogen. Der Veidimader [Jäger] zielte auf einen der Verfolger. Ein heranfliegender Wurfspeer traf mich hinter der Markierung. Ich sackte nach diesem heftigen Treffer zu Boden und war kampfunfähig. Gerade noch bekam ich mit, dass mir jemand meiner Kameraden half, von dieser Stelle zu fliehen. Die Verfolger kamen tatsächlich nicht über die Markierung hinaus.
Wir flohen vielleicht 50 Schritt weit über einen sanften schneebewehten Hügel. Hier kamen wir Sechs zusammen. Hinter der Kuppe wurde ich auf eine Decke gelegt. Ich musste ruhen. Jorgan hatte seinen Stille-Zauber beendet. Dann schlich er langsam zurück, um über die Kuppe zu schauen, ohne dass man ihn erblickte. Jenssei versorgte den verletzten Orm und Fenja heilte mich erst zumagisch und danach profan. Jorgan sah über der Kuppe, dass fünf Krieger nicht über die Blutmarkierung hinüber gelangten. Der Schamane Lhargûn erschien. Auch Angrimma, die Yaldringa [gjalskerländische Sippenoberhaupt] des Haerads erschien bei den Kriegern. Beide stritten miteinander. Einer der Krieger versuchte die Linie zu überqueren, doch es gelang ihm nicht. Immer wieder pralle er wie von einer unsichtbaren Wand ab. Jorgan kam zurück und berichtete uns, was er gesehen hatte.
Der Galdmader [Magier] wollte Jenssei bitten, von der Hügelkuppe aus, auf Lhargûn zu schießen. Beide schlichen zurück zur Kuppenspitze und Jenssei schätzte die Entfernung und die Möglichkeit, einen guten Treffer bei dem Schamanen zu landen. Doch weil es noch zu dunkel war, wollte Jinssei es nicht riskieren. Jorgan beobachtete weiter, wie Angrimma und die Krieger zurück in das Haerad gingen. Nur noch Lhargûn und seine beiden Durro-Dûn [Tierkrieger], der Schädel-Eulen standen an der Markierung. Sie besprachen sich miteinander. Dann überquerten seine Durro-Dûn die Blutlinie. Sie gingen abseits unseres Fluchtweges. Lhargûn ging zurück zum Haerad. Jorgan kam zurück und berichtete uns. Die Fackeln wurden gelöscht. Wir verhielten uns mucksmäuschenstill, wagten nicht einmal laut zu atmen. Die beiden Durro-Dûn aber kamen nicht in unsere Nähe sondern schritten schnurgerade einen Pfad, weit abseits von uns.
Nach einer Weile erst, wagten wir uns zu bewegen. Wir berieten uns. Unser nächstes Ziel sollte der Eulenwald sein, wo unser Freund Madru und die anderen Durro-Dûn der Schnee-Eulen, ihre Kräfte sammeln wollten. Der Weg dorthin war uns grob bekannt. Wir mussten einen Tagesmarsch bis zum Fluss zurück legen und dann westlich entlang laufen, bis wir erneut nach einen Tag, den Eulenwald erreichten. Viele von uns waren zu geschwächt, um in der Nacht zu marschieren. Also ruhten wir uns aus; bis weit nach dem Sonnenaufgang. Jenssei und Jorgan hielten die erste Wache, Fenja und Orm hielten die zweite Wache. Bis zum Aufbruch passierte nichts ungewöhnliches.
Wir hatten keine Nahrung mitnehmen können. Dank des Festmahls am Vorabend, verspürten wir keinen allzu großen Hunger. Es wurde wieder warm. Diejenigen, die von dem Beerenmus beim Festmahl gegessen hatten, verspürten eine gewisse Kräftigung. So brachen wir auf, um vor Sonnenuntergang zum Fluss zu gelangen. Das gelang uns auch. Beim flachen Findling angekommen, nutzten wir seine Mulde als Unterschlupf. Wir machten ein Feuer. Jinssei ging jagen. Wir konnten unsere Wasserschläuche auffüllen. Jinssei kam leider ohne Beute zurück. Fenja, Jorgan und ich legten uns schlafen. Orm, Jinssei und Finn hielten Wache.
14. Tag des Schlachtmonds im Jahr 2648 JL
In der Nacht passierte nichts aufregendes. Doch am Morgen hatten wir alle Hunger und keine Nahrung. Mit aufgefüllten Wasserschläuchen gingen wir, westlich des Flusses, auf einen schwarzen Berg zu, den Madru uns ein paar Tage zuvor gezeigt hatte. Vor uns lag eine unbefleckte weisse Schneedecke. Gegen Mittag entdeckte Jinssei die Fährte eines Reh´s. Während wir warteten, versuchte unser Veidimader der Fährte zu folgen. Leider schien seine Beute den Veidimader zu spüren, denn noch bevor Jinssei auf Schussweite an das Reh heran kam, sprang unsere Mahlzeit ausser Sicht. Jinssei kam wieder zu uns zurück. Hungrig reisten wir weiter.
Das Gelände wurde aufsteigend und schroffe Felsen lagen vor uns. Wir mussten Hindernisse überwinden. Dann entdeckten wir Fußspuren von zwei Menschen, denen wir vorsichtig folgten. Von weit her hörten wir krächzende Schreie. Jinssei sah zuerst, dass zwei menschliche Angreifer einen dritten Menschen bekämpften und über den Rand einer Schlucht drängten. Jinssei berichtete uns später, dass die Angreifer und der Verteidiger Vogelköpfe trugen. Nach 150 Schritt ging es steil bergab. Zwei der Kämpfer stürzten sich schreiend und krächzend in die Tiefe. Einer der beiden verschwand dann in der Luft. Der dritte verschwand ebenfalls. Dann herrschte Stille. Als wir an der Kampfstelle ankamen, sahen wir reichlich Blut an den Felsen. Ich sah, dass Orm seinen Talismann herausholte und streichelte. Ich erinnerte mich an meinen geschnitzten Pottwal aus Mammuton, den ich um meinen Hals trug. Ich holte ihn hervor und küsste ihn schnell dreimal. Meine Gedanken waren kurz bei meiner Mutter, Gunda Hidirsdotter, die mir den Pottwal als Glücksbringer schenkte.
Fenja stand am Rand der Klippe und blickte hinunter. Sie glaubte, dass der Durro-Dûn, der gestürzt war, noch lebte. Sie, Orm und Jenssei kletterten hinunter. Finn kletterte anfangs recht gut herunter, fiel aber die letzten Schritte gut auf ein Plateau. Erst später kletterten auch Jorgan und ich herunter. Doch auch wir fielen die letzten Schritte. Ich fühlte mich körperlich sehr schlecht. Das wenige, dass ich an Lebenskraft die letzte Nacht regeneriert hatte, verlor ich erneut bei dem Sturz. Doch wir hatten Glück, auf Arrad, dem Durro-Dûn der Schnee-Eulen zu treffen. Er war schwer verletzt und trug frische Verletzungen, die denen ähnlich waren, die von Madru immer abprallten. Er war dem Tode sehr nahe und schien schon Golgari´s [Der Seelenrabe des Totengottes Boron] Flügelschläge zu hören. Verbissen versuchte Fenja dem Durro-Dûn magisch wieder Leben einzuhauchen.
Wir konnten beobachten, wie das Leben in Arrad´s Körper wieder zurück kam. Er atmete schwach, aber regelmäßig. Als wir die Gegend erkundeten, fanden wir in diesem warmen Tal, einen Bach, ein paar Bäume und überhängende Felsen. Hier schlugen wir unser Lager auf. Orm gelang es. Ein paar Forellen zu angeln, Jinssei schoss einen Schneehasen. Während ich ruhte, kochte Jorgan. Es gab für jeden etwas zu essen. Finn, Jinssei und Orm hielten in der Nacht Wache. In der Nacht hörte Jinssei während seiner Wache, eine Eule vorbei fliegen. Davon berichtete der Veidimader dem Thorwaler. Sonst passierte nichts weiter.
15. Tag des Schlachtmonds im Jahr 2648 JL
Am Morgen fühlte ich mich schon ein wenig besser. Dann erwachte Arrad. Jorgan klärte dem Durro-Dûn über die derzeitige Situation im Haerad der Yackach und über uns auf. Darauf verbeugte sich Arrad vor Fenja und bedankte sich, für ihre lebensrettenden Maßnahmen. Arrad erklärte uns, dass die nächtliche Eule wohl „D´Achia“, die Durro-Dûn der Schädel-Eulen von Lhargûn war. Dann brachen wir gemeinsam auf, um den Treffpunkt im Eulenwald zu erreichen.
Am Abend erreichten wir den Eulenwald. Wir sahen Madru und Pinalah. Endlich gab es gutes Essen für uns. Jorgan beschrieb die Knochenkeule von Lhargûn. Pinalah schien verwirrt. Sie und Madru erklärten uns, dass diese Knochenkeule einst Schachmas, dem Molû-Para-Dûn gehörte, der vor 16 Winter durch Madru´s Mutter verstarb. Pinalah sagte uns, dass sie die Knochenkeule von Lhargûn besaß. Jorgan erklärte den anwesenden Durro-Dûn, dass Lhargûn´s Kreis kein Schutzkreis war. Eher ein Gefängnis. Dann plötzlich erklang die Handharfe “Godsögnsvanir” [Legendensänger], die ich bei mir trug. Ich holte sie hervor, berührte aber nicht die Saiten. Sie erklangen von alleine. Neben den wunderbaren klaren Tönen erklang auch eine Stimme. Und die Stimme sang:
„Der Hüter des Welpen weicht nicht vom Spross, bis seine Heimstatt gefunden. Er wacht geduldig, bis mutige Recken gekommen. Bergen den Knochen, der heilig ihm war, denn im Knochen wohl schlummert Geist und Kraft. Wird es dann erweckt, wird es dann befreit, wenn dieser Knochen berührt sein Leib. Dann ist der Weg frei zum eigenen Herz, zum eigenen Blut. Doch schmal ist der Weg zwischen sterben und Tod. Erst wenn er stirbt ist frei jener Leib. Doch warten die Helfer zu lang mit der Tat, dann findet der Hüter sein Leben nicht mehr.“
Zwei Dutzend Durro-Dûn der Schnee-Eulen und wir Sechs hörten allesamt die Stimme in unserer Muttersprache singen. Nun vermuteten die Durro-Dûn, Schachmas Geist im Körper von Lhargûn. Arrad trug die Knochenkeule von Lhargûn nicht mehr bei sich. Er muss sie am Kampfplatz mit den Schädel-Eulen verloren haben. Vielleicht lag sie noch da oder die Schädel-Eulen hatten die Knochenkeule erbeutet.
(An dieser Stelle beendeten wir den Spielabend)
[Wir bekamen jeder 100 Abenteuerpunkte]
Danke an Rike (Fenja), Claas (Finn), Christian (Jinssei), Henning (Jorgan), Hauke (Orm) und unseren Spielleiter Frerk.
Dirk Otto (Tjure) für Ludo Liubice