Zurück in Chicago – Call of Cthulhu
“…Nach den Ereignissen der letzten Wochen, also nach dem Banküberfall auf die First National Bank, im April 1934, in Pana – Illinois, verspürte ich den Drang, alles, was meinen Kameraden und mir wiederfuhr, aufzuschreiben. Dies soll kein Geständnis sein, sondern meine Betrachtung dessen, was wir erlebt hatten.
Dean “Shorty” Devlin, geboren am 22. Februar 1908, New Orleans, Louisiana….”
“…Ende Mai 1934:
Nach dem Abenteuer im New Haven State Prison, Madison, Iowa, kamen Hans, Evelin und ich zurück nach Chicago und wir schlossen uns Liliths Gangster-Organisation an. Wir wollten in Kontakt bleiben, aber Liliths Sprecher, Dr. Stone, trennte uns. Ich kam unter die Fittiche von Tyler Banks, Boss der Porterhouse Six-Gang im Schlachthofviertel. Hier sollte ich meine Erfahrungen im Geldeintreiben machen. Mein neuer Partner war Jimmy, die Fliege. Ein junger Kerl mit Schiebermütze, immer sauberen Klamotten und dem Hang oftmals mit seinem Butterfly-Messer rumzuspielen. Ich trug seitdem immer einen schicken Anzug, den ich mir leisten konnte und einen Hut, der zum Anzug und meinen polierten braunen Lederschuhen passte.
Beim Geldeintreiben der kleinen Geschäfte wurde Jimmy und mir oftmals erzählt, dass sich eine kleine Bande von jungen Leuten hier im Viertel herumtreibt und die Leute terrorisiert. Jimmy und ich wollten herausfinden, wer dahintersteckt. Unsere Recherchen führten uns dazu, dass diese Jugendbande vor kurzem von George Moranes “Bucks” Northside-Gang aus dessen Viertel rausgeschmissen wurden. Offenbar suchten sie neue Einnahmequellen und lungerten hier in Tyler Banks Viertel herum. Jimmy und ich malten uns aus, wo sie vielleicht als nächstes zuschlagen würden und machten uns zur Eckkneipe zum versoffenen Hering auf, um dort Posten zu beziehen.
Tatsächlich tauchten dort vier heruntergekommene Twens auf und wollten vom Wirt Louis Schutzgeld kassieren. Während ich die Fluchtmöglichkeit der vier Halbstarken versperrte, näherte sich Jimmy als Betrunkener getarnt und ich hielt mich zurück. Es kam zum kurzen Handgemenge, bei dem ich mich leicht verletzte, mein Anzug beschädigte und einer der Twens eine kräftige Beule erhielt. Erst als ich meine “neue” Luger zog, gab es einen Waffenstillstand. Der Anführer der Twens verhandelte mit uns. Sie sagten, sie wussten nicht, in wessen Viertel sie gerade waren, was mir merkwürdig vorkam. Ich hatte von Chicago den Eindruck, dass jeder Zwölfjährige wusste, in wessen Viertel er sich gerade befand. Die Bande der Twens, die Suburbian Crox suchte Anschluss an eine etablierte Gang. Jimmy und ich versprachen uns für sie bei Tylor Banks einzusetzen, wenn sie erstmal die Füsse stillhalten. Sie stimmten zu.
Jimmy und ich machten uns auf zu Banks rechter Hand Luigi Pastagun Parinelli, um mit ihm darüber zu sprechen. Es war immer am besten, den “Meldeweg” und damit die Rangfolge in der Gang einzuhalten. Dieser war in der Küche seines Steakhouse Mamas Restaurante gerade dabei, ein neues Rezept auszuprobieren. Luigi hörte sich unsere Story an und entschied, den Suburbian Crox auf den Zahn zu fühlen. “Gute Leute kann man immer gebrauchen”, sagte er. Er würde das mit dem Boss besprechen, aber Jimmy und ich könnten die Suburbian Crox zu einem Treffen einladen. Ich war sehr überrascht und immer noch misstrauisch. Dennoch widersprachen wir nicht. Ein Treffen wurde nahe des Güterbahnhofs arrangiert. Jimmy und ich nahmen noch fünf weitere Mobster mit. Zwei von ihnen blieben bei uns, während drei sich verstecken und im Notfall eingreifen sollten. Dann kamen drei Twens. Der Anführer der Suburbian Crox stellte sich als Peter die Spinne Parker vor. Wir verhandelten kurz und machten ein Treffen mit unserem Bossen Banks und Pastinelli ab. Dann verliessen wie die Szenerie (ohne Schiesserei, wie ich bemerkte, wirklich sehr ungewöhnlich dieses Chicago).
Um es kurz zu machen, kam es zu einer Vereinigung der Suburbian Crox mit der Porterhouse Six-Gang. Peter Parker wurde Lieutenant im Bereich Geldeintreiben und auch Jimmy und ich wurden befördert und hatten direkt Zugang zu Banks. Jimmy kümmerte sich jetzt um die täglichen Geschäfte, meine Aufgabe waren fortan im Bereich der Bordelle zu finden. Wir mussten nicht mehr über Pastinelli mit dem Boss sprechen. Sehr zum Ungemach der alten Garde, wie Jimmy und ich feststellten. Doch wollten wir sie nicht übergehen. Jimmy hatte die Idee, dass jeweils ein junger mit einem alten Hasen zusammenarbeiten konnte. Die Einnahmen reichten auch für zwei. Banks stimmte dem zu und wir machten uns innerhalb der Gang keine Feinde. Wir machten richtig Kohle. Die Geschäfte gingen in dieser Zeit sehr gut.
Nicht so gut ging es dann plötzlich mit der Gesundheit vom Boss. Inzwischen war der 17. Dezember 1934. Tyler Banks Geburtstag wurde groß im Mamas Restaurant gefeiert. Jetzt nahm er Heroin. Zuerst rauchte er das Rauschmittel nur, später spritzte er sich dann das Zeug. Sehr zum Missfallen aller. Aber Banks war schließlich der Boss. Und der Boss wurde immer aggressiver. Brüllte und schlug um sich; wurde immer gewalttätiger. Wo früher ein Schlag in die Fresse einen “ungezogenen” Untergebenen Manieren beibringen sollte, ließ Banks diesen brutal zusammenschlagen, befahl Exekutionen oder Banks führte selbst Exekutionen aus.
Uns allen wurde im Januar 1935 Angst und Bange, bloss keinen Fehler zu machen. Dann kam der 14. Februar 1935, Valentinstag.
An diesen Tag befahl Tylor Banks Jimmy und mich, ihn zu seiner Schwester Charlotte (30) zu fahren. Er wollte sie abholen. Zu meiner Überraschung und Freude war Hans der Fahrer. Banks zeigte uns noch den Kofferraum, der voll war mit Tommyguns und so vielen Ersatzmagazinen, um einen neuen Weltkrieg anzuzetteln. Jimmy und ich waren erstaunt. Es ging doch nur darum, Charlotte abzuholen. Was erwartete der Boss? Dass sie sich mit einem MG auf ihren Balkon dagegen wehrt?
Mir war nicht entgangen, dass sich die beiden auf seinem Geburtstag im Dezember eigentlich wohl gesonnen begegneten.
Es ging zur 2122 North Clark Street, im Lincoln Park zur Chicagos North Side. Hier war George Morane “Bucks” Gebiet. Aha, dachte ich. Deswegen die starke Bewaffnung aber wir lagen doch nicht im Krieg miteinander, oder…?
Hans hielt den Wagen vor einer Garageneinfahrt. Ich konnte ein MG oder ähnliches auf den Balkonen nicht sehen. Das Tor war geschlossen. Ich stieg aus. Banks befahl mir und Jimmy am Wagen zu bleiben. Wir gehorchten. Jimmy stieg nicht mal aus. Banks lief zur Eingangstür und schloss sie hinter sich, als er eintrat. Nicht einmal eine Minute später hörten wir eine Gruppe von Menschen aus dem Haus extrem laut aufschreien und plötzlich verstummen. Ich zog meine Luger und rannte ins Haus. Jimmy rannte runter zum Garagentor, um es zu öffnen, leider vergeblich. Er lief zurück zu Hans ins Auto und befahl ihm, mit Vollgas gegen das Garagentor zu fahren.
Im Haus sah ich nichts ungewöhnliches. Im Erdgeschoss war alles voller Staub. “Nicht schon wieder”, dachte ich. Ich rief die Treppe nach oben rauf: “Banks! Charlotte!” Keine Antwort. Ich hörte den Motor des Wagens draußen aufheulen und die Reifen quietschten. Ich wusste, dass ist Hans, der den Wagen wendete. Ich lief die Treppe runter in den Keller, der offenbar auch die Garage war. Tatsächlich war es eine Mehrfachgarage mit (noch) geschlossenem Haupttor, durch die gerade Hans und Jimmy mit der Limousine mit ohrenbetäubenden Lärm fuhr. Holzsplitter flogen in die Garage. Im gleichen Augenblick sah ich im Augenwinkel jemanden durch die Hintertür verschwinden. Die Hintertür schloss sich. Doch mein Blick blieb an sechs menschlichen Gestalten hängen, die an der Wand aufgereiht mit geöffneten Mündern und entsetzten Gesichtern dastanden wie Wachsfiguren. Ein merkwürdiges hansgroßes Wesen stand vor den Gestalten. Es bestand aus hunderten von Ratten, die sich übereinander geworfen zu diesem Wesen formten. Die Ratten waren am Leben und dieses Wesen lebte durch die Ratten; so schien es. Zwischen mir und diesem Rattenwesen lag auf einem auf dem Boden eingezeichneten Beschwörungskreis Tyler Banks. Ein afrikanischer Löwe schien Banks zu beschützen. Von Charlotte war nichts zu sehen.
Jimmy und Hans waren im Wagen erstarrt und so erinnerte ich mich daran, dass im Kofferraum der Limousine ein ganzes Waffenarsenal lag. Ich nahm mir schnell daraus eine Tommygun und schoss ein ganzes 50er Magazin auf das Rattenwesen. Der gewünschte Erfolg blieb aus. Ich verletzte das Rattenwesen nur. Ein paar tote Ratten fielen herunter und ich traf dabei leider auch zwei der “Wachsfiguren”, die zu Boden gingen. Es waren richtige Menschen. Aber dadurch schwächte ich wohl das Rattenwesen. Ich rief “Yig!”, doch das zeigte auch keine Wirkung. Hans und Jimmy sahen ihre Chance und wollten die übrigen fünf Menschen umfahren. Ich lud die Tommygun wieder nach, dabei wurde ich vom Rattenwesen angegriffen und verletzt. Eine weitere Salve von mir sprengte wieder einige tote Ratten von dem Wesen ab und ich traf erneut einen der Menschen an der Wand, die immer noch erstarrt da standen. Ich hatte kein Mitleid. Hans fuhr dann mit der Limousine gegen die übrigen Menschen und erwischte, die noch stehenden. Das Rattenwesen löste sich sich auf, indem die überlebenden Ratten in alle mögliche Richtungen flohen. Der Löwe verschwand und wir konnten Banks bergen. Wir luden ihn schnell in die Limousine und Hans fuhr mit uns allen aus der Garage auf die Strasse und von dort aus wieder zurück in das Schlachthofviertel…”
Vielen Dank an unser Mitglied Dirk für diesen Bericht aus der Call of Cthulhu Runde!