Das Schwarze Auge (4.1) Spielabend vom 05.05.2020 “Das Reiseziel”
„Verrat, Sire, ist nur eine Frage des Datums.” Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754-1838)
[Bild: “Nebel – Ein Vorhang aus Luft” Quelle: https://www.fotocommunity.de]
Aus den Tagebücher, Liedern und Texten des thorwalischen Skalden Tjure Fenrirson, chronologisch und nach seiner Priorität geordnet.:
6. Tag des Schlachtmonds [Travia] im Jahr 2648 JL [1021 BF]
Wir verließen mit Madru das Gebiet des Geysir. Der junge Durro-Dûn [Tierkrieger] ging die ersten zwei Stunden voran, dann löste ihn Finn ab. Gegen Mittag machten wir eine Rast. Kurz bevor wir aufbrachen, sahen wir am Himmel etwas über uns kreisen. Ich dachte an einen Adler aber die anderen Gefährten meinten, dass das Flugwesen zu hoch flog, als es einem Vogel guttun würde. Trotzdem war es zu sehen aber nicht genau einzuordnen. Wir behielten es nacheinander im Auge und vielleicht lag es daran, dass wir Nachmittag nicht so weit kamen, wie wir erhofft hatten. Das Gelände hatte entsprechend gewechselt und wieder lag ein halber Schritt [Meter] hoher Schnee auf der Strecke, die wir mit Schneeschuhen bewältigen konnten. Doch dafür war eine enorme Kraftanstrengung notwendig.
Wir hatten die Reihenfolge wieder gewechselt. Madru ging hinter Finn in der Reihe. Der Gjaldskaper [Söldner] verspürte plötzlich einen starken Schmerz in seinem Rücken. Madru fiel um. Der Angreifer hatte wieder zugeschlagen. Madru bekam erneut Krämpfe und Zuckungen. Ich versuchte Madru von der Gruppe weg zu ziehen, suchte verzweifelt eine Deckung. Die nächstbeste Schneewehe war mein Ziel; doch diese kleine Deckung zu erreichen, war für mich alleine sehr schwierig. Außerdem versuchte ich den jungen Durro-Dûn auf den Bauch zu legen, damit er mich nicht ansah. Der Galdmader [Magier] Jorgan sprach den Zauber ODEM ARCANUM und erkannte, dass ein Zauber wirkte. Es wurde ein Notlager aufgestellt. Finn wurde von seiner Oberkleidung befreit und meine Kameraden erkannten die bekannten tiefen Wunden auf Finns Rücken. Als Madru sich ein wenig von seinen Krämpfen beruhigt hatte, konfrontierte ich ihn damit, dass Finn verletzt wurde.
Madru sprach von einem Kribbeln in seiner Brust, die er kurz vor seinen Krämpfen bekommen hatte. Fenja probierte den Zauber HEXENSPEICHEL auf Finns Wunden. Doch irgend etwas war während ihres Zaubers fehlgeschlagen. Zwar schlossen sich die Wunden auf Finns Rücken, doch er schrie vor Schmerzen, als sich um die Wunden herum kleine rote Quaddeln [punkt- bis plateauförmige Erhebungen der Haut] bildeten. Hatte Fenja den Gjaldskaper versehentlich vergiftet? Jinssei bemühte sich, das heraus zu finden, doch seine Kenntnisse in der Gift-Heilkunde waren zu gering. Finn hatte deutlich an Lebenskraft verloren. So bemühten wir uns, bis zum Abend einen ordendlichen Rastplatz zu finden.
An einer nahen Senke richteten wir einen Rastplatz ein. Das Flugwesen verfolgte uns immer noch, denn Fenja vernahm einen Punkt am Himmel, der erneut über uns kreiste. Dank unserem Veidimader [Jäger] Jinssei gelang es uns, ein Feuer mit dem mitgebrachten Feuerholz zu entzünden. Ich versuchte, aus dem mitgebrachten Proviant etwas zu kochen. Doch diesmal gelang es mir ncht so gut. Orm musste mich dabei unterstützen. Wir stellten Wachen für die Nacht auf. Jorgan, dann ich, Jenssei und Orm.
Der Wind drehte und es wurde etwas wärmer. Es gab einen unangenehmen Schneeregen. Das Lagerfeuer bot keine Wärme und der Schnee um uns herum wurde zu Matsch. Jorgan sprach wieder mit Madru. Dieser erwähnte, dass wir nicht nass werden dürften, sonst würden wir alle erfrieren. Er schlug vor, mit Speeren am Rand der Senke die Felle zu einem Dach aufzustellen. Schon machte Orm sich an die Arbeit. So hatten wir eine Art Halbzelt mit Dach. Mit der FLAMME DES STABES entzündete Jorgan unser Lagerfeuer mit den restlichen Holzvorräten. Jede Stunde tauschten wir die Wachen durch. Finn ruhte sich aus, damit seine Lebenskräfte wieder regenerierten.
7. Tag des Schlachtmonds im Jahr 2648 JL
Nach einem kargen Frühstück packten wir wieder alles zusammen. Die Fellplane, die in der Nacht unser Dach bildete, war durch Wasser und Kälte, trotz ausschütteln, sehr schwer geworden. Madru musste die Plane eine Weile tragen. Zudem hatte der Schneeregen, den am Boden liegenden Schnee sehr schwer gemacht. Dicke Schneeflocken fielen vom Himmel, dafür wehte kein Wind mehr. Madru zeigte uns ein Gebirge, auf das wir uns zubewegten. Das war unsere neue Wegmarke. Wir schafften weniger als zwei Stunden Fußmarsch, bis wir unsere erste Rast machen. Dann sahen wir einen Drachen in bis zu einhundert Schritt auf uns zufliegen. Wir wollten uns kampfbereit machen, doch schon rauschte der Drache weit über unseren Köpfen hinweg, stieg flügelschlagend in den Himmel und flog weg. An diesem Tag sahen wir den Drachen nicht mehr. Madru erzählte, dass er noch nie davon gehört hatte, ob Drachen in dieser Gegend residierten.
Der Weitermarsch war erneut eine fürchterlich anstrengende Plackerei. Gegen Mittag machten wir wieder eine Rast und ich wollte uns aus den Resten etwas kochen. Wir überredeten Jenssei, in der Gegend auf die Jagd nach Wildfleisch zu gehen. Dem Veidimader gelang es, die Fährte eines Hirschen zu finden und zu verfolgen. Jenssei brauchte mehrere Pfeilschüsse, um den jungen Hirsch, der sich im Gehölz versteckte, zu verletzen. Dann musste Jenssei noch mit seinem Dolch, dem schwer verletzten Tier von seinem Leid erlösen. Letztendlich brachte der Veidimader Fleischstücke von den Beinen und Rücken mit ins Lager. In der Zeit hatte ich mühsam etwas Totholz gesammelt.
Fenja hatte sich unterdessen um Finns Verletzungen gekümmert. Die Rötungen waren immer noch da aber der Gjaldskaper hatte an Lebenskraft zurück gewonnen. Jorgan hatte sich nahe des Feuers schlafen gelegt und wir hatten zuerst die Idee, einen Schnee-Iglu um den Galdmader herum zu bauen. Doch wir errichteten einen provisorischen Iglu, der halb-offen war, in der Nähe des Lagers. Mit dem Lagerfeuer am Eingang. Wir hofften, dass das Bauwerk lange genug halten würde. Das Fleisch, dass Jinssei mitbrachte, schnitten wir in sehr dünne Scheiben; aßen es roh oder leicht über dem Lagerfeuer geröstet. Die Nacht war kalt und klamm, still und ereignislos.
8. Tag des Schlachtmonds im Jahr 2648 JL
Als der Morgen dämmerte, machte sich die Handharfe “Godsögnsvanir” [Legendensänger] bemerkbar. Töne drangen von ihr hervor. Ich packte die Handharfe aus der Umhängetasche mit dem Ziegenleder, die wir seit Kendrar mit uns führten. Alle Kameraden und Madru waren wach und lauschten. Sanft schlug ich auf die Saiten. Herrlichste Töne waren zu hören und aus meinem Mund drangen die Worte:
„Gefangen in Nichts, gequälte Seele.
Hört ihren Ruf, dem Vergessen zu entfliehen.
Zögert nicht, an ihre Seite zu eilen.“
Wir schauten uns gegenseitig an und versuchten die Zeilen zu deuten. Meine Kameraden meinten, dass es sich um die Seele von Jandra handelte. Ich hatte eine andere Meinung dazu. Ich war der Meinung, dass die Harfe uns irgendwo hin lockte, wo uns böses wiederfahren sollte. Wo möglicher Weise der Daimon hauste. Ich zitierte aus der Ögnir-Saga (vom 24. Tag des Heimamonds) und aus den Zeilen (25. Tag des Kornmonds):
„…Ein mächtiges Maul, alles Land zu verschlingen.
Keine Wehr, dem zu begegnen…“
Ich war der Meinung, dass wir noch nicht bereit genug, nicht stark genug waren, um gegen den Daimon in den Kampf zu ziehen. Irgend etwas fehlte uns noch. Ein Hinweis, eine Waffe, womöglich sogar Verstärkung. Wenn wir zuerst Madru zu seinem Herrn „Lhargûn“ bringen würden, könnten wir vielleicht entsprechende Hilfe bekommen. Es war unser Schicksal, dem zu begegnen, doch letztendlich, sagte ich, würde uns die Harfe verraten. Ich versuchte auf meine Kameraden einzureden. Doch sie schienen nicht zuzuhören. Warum sahen sie nicht die Gefahr, die ich erahnte? War es unser Schicksal, dem Unglück unvorbereitet zu begegnen? Mögen die Runjas [Schicksalsgeister] und Swafnir [Gott aller Thorwaler] uns beschützen.
Noch an diesem Tag erreichten wir die Hügelkette von „Langarhôlts“, wo eine große oder bedeutende Schlacht stattgefunden hatte. Von der Kuppe eines Hügels blickten wir in ein Tal dichten Nebels. Nur die Spitze eines riesigen Hügelgrabs blickte daraus hervor. Wir gingen in das Tal hinein und näherten uns dem Hügelgrab aus titanenhaften Felsen. Als wir nahe genug dran waren, erkannten wir seltsame Schriftzeichen auf jeden dieser Felsen, die übereinandergestapelt waren. Es waren keine thorwalischen oder hjaldingardische Runen an den Felsen. Doch nach einer Weile bekamen wir die Bedeutung dieser Schriftzeichen heraus. Sie standen für:
„Schutz, Vergessen, Behüten, Macht und Held“
Man brauchte gut 50 Schritt, um das Hügelgrab einmal zu umrunden. Inmitten der auf- und ineinander geschichteten Felsen erblickten wir eine schmale Spalte, die ins Innere führte. Unsere Gewandheit wurde ziemlich auf die Probe gestellt. So waren es nur Finn und Jorgan, die es ins Innere des Hügelgrabes schafften. Jorgan entzündete die EWIGE FLAMME am Ende seines Zauberstabes. Der Fackelschein erleuchtete die Halle, in der sie beide standen. Fünfzehn Schritt über ihnen wölbte sich eine Kuppel aus den Felssteinen. Im Inneren war es warm und es roch muffig. In der Mitte des titanischen Grabes lag ganz auffällig eine sechsförmige Eisplatte Ein zweiter Anlauf von uns, die zuerst draussen geblieben waren, brachte uns allesamt in das Innere des Grabes. Wir zählten 36 kleinere Gräber mit Namen in Runenschriften, die wir kannten. Es waren überwiegend Namen der Besatzung der „Seetiger“, Jandra „Sturmkind“´s Mannschaft. Wir sprachen kurzüber die Schlacht, die vor vielen Jahren hier stattgefunden hatte. Das fand ich seltsam. Denn ich hatte Jandra mit dieser Schlacht niemals in Verbindung gebracht. Ich dachte, es handelte sich um eine Schlacht, zweier verfeindeter Armeen oder rivalisierender Höfe.
Jandras Grab war nicht zu finden. Dafür fanden wir ein Grab mit einer Inschrift die „Fennlorin Gansmidr“ lautete. Niemand von uns war der Name bekannt. Auf dem eisigen Sechseck war eine Swafnirrune eingeritzt. Ich bat Jorgan um einen ODEM. Ich wollte wissen, ob die Eisplatte magisch oder göttlichen Ursprungs war. Doch er sagte „Nein.“ Da wir um die Eisplatte herum standen, konnten wir einen Schatten unter dem Eis bewegen sehen. Orm stellte sich auf die Eisplatte. Wohl um genauer hinzusehen. Plötzlich erklang die Harfe “Godsögnsvanir”. Doch ich ignorierte die Töne. Der Schatten, unterhalb des Eises, kam an die Platte heran und wir konnten in das kräftige zähnebewehrte Grinsen einer Kreatur sehen, die Fenja sofort wieder erkannte. Es war das dämonenverstellte Antlitz von „Harder Walkirsson“ aus unserer Vision. Im Eis bildeten sich kleine Risse und von irgendwo her hörten wir mit dem erklingen der Harfentöne eine Stimme singen:
„Das Spiel hat begonnen, keine Zeit zum verweilen!
Zeigen wird sich, wer vor dem Schicksal besteht.
Hey ja, das wird ein Spaß!“
(An dieser Stelle beendeten wir den Spielabend)
Danke an Rike (Fenja), Claas (Finn), Christian (Jinssei), Henning (Jorgan), Hauke (Orm) und unseren Spielleiter Frerk.
Dirk Otto (Tjure) für Ludo Liubice